_
Aufruf zu einer weltweiten Lesung
am 20. März 2012
für die Freilassung von Liu Xiaobo
Aufruf zu einer weltweiten Lesung
am 20. März 2012
für die Freilassung von Liu Xiaobo
_
Das internationale literaturfestival
berlin (ilb) ruft Kulturinstitutionen, Schulen, Radiosender und
Interessierte dazu auf, am 20. März 2012 an einer weltweiten Lesung von
Prosa und Gedichten des chinesischen Autors und
Friedensnobelpreisträgers 2010 Liu Xiaobo teilzunehmen.
Vor drei Jahren wurde Liu in seinem Haus in Peking verhaftet und erst über zwölf Monate später wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ offiziell zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Im vergangenen Jahr, unmittelbar nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu, stellten die chinesischen Behörden seine Frau, die Dichterin und Fotografin Liu Xia, unter strikten Hausarrest. Am 18. Oktober 2010 verschwand sie aus dem privaten und öffentlichen Leben und ist bis heute nicht zu erreichen, weder per Festnetz, Handy noch über das Internet.
Vor seiner jüngsten Verhaftung 2008 verbüßte Liu Xiaobo bereits drei Gefängnisstrafen. Zwischen 1996 und 1999, als er drei Jahre lang zur „Umerziehung durch Arbeit“ einsaß, schrieb er zahlreiche Gedichte, die alle seiner Frau Liu Xia gewidmet sind. Als junger Mann hatte Liu Bücher über westliche und chinesische Philosophie und Literatur verschlungen. Diese Lektüreerfahrung schlägt sich deutlich in seinem lyrischen Schreiben nieder. Von Konfuzius bis Kant, von Sima Qian bis Van Gogh oder Jesus – für den jungen Liu Xiaobo kannte das Wissen keine Grenzen. Als Autor, dessen Bücher weite Verbreitung genossen, hat sein eigenes literarisches Werk seit den 1980er Jahren Generationen junger Autoren beeinflusst. Als seine Artikel und Bücher auf dem chinesischen Festland verboten und zensiert wurden, schickte er seine Texte an chinesische Webseiten im Ausland. Seine Bücher erschienen in Hong Kong, Taiwan und den USA. Lius explosiver und lyrischer Stil, der sich durch schneidende Kritik und tiefgreifende Ironie auszeichnete, ist in den letzten Jahren ruhiger geworden und in eine nachdenklichere und sachlichere Prosa übergegangen. Er hat die Rolle des Aktivisten zugunsten des Beobachters und Analytikers abgelegt.
Nach dem Vorbild der tschechoslowakischen Charta ’77 wählten Liu Xiaobo und seine chinesischen Mitstreiter mit ihrem eigenen Manifest ’08 einen besonnenen und friedlichen Weg, um ihrer Sorge um die künftige Entwicklung Chinas Ausdruck zu verleihen. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte sind universelle Werte, Grundlagen einer modernen Gesellschaft und nicht unvereinbar mit der offiziellen Rhetorik der chinesischen Regierung, die für die Rechtsstaatlichkeit des Landes wirbt. Sowohl die chinesische Verfassung als auch internationale Abkommen, die von der Regierung unterzeichnet wurden, gewähren Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Der Vorwurf, Liu „untergrabe die Staatsgewalt“, ist daher ein Witz und ein Schlag in Chinas eigenes Gesicht.
Tatsächlich lassen die über 800 Artikel, die Liu in den vergangenen zehn Jahren autorisierte, das genaue Gegenteil erkennen. In seinem 2005 erschienenen Buch Civil Awakening. The Dawn of a Free China erläuterte Liu, die Reform in China verlaufe von unten nach oben, nicht umgekehrt. Das heißt, die wahre Reformbewegung beginne nicht mit der Regierung, sondern vielmehr mit der Zivilgesellschaft, mit den Menschen an der Basis. Die ständige Konfrontation von einfachen Bürgern, Bauern, Arbeitern mit den Obrigkeiten hätten das Bewusstsein der chinesischen Bevölkerung geschärft und sie für ihre Grundrechte sensibilisiert. In Lius Worten: „Der langsame, aber beständige Wandel wird nicht durch radikale Forderungen seitens der Regierung erreicht, die gesamte Gesellschaft umzuwälzen. Die gegenwärtige Tendenz geht dahin, dass das Regime von Veränderungen, die aus der Gesellschaft heraus entstehen, langsam selbst zum Wandel gedrängt wird.“
Liu Xiaobo ist nicht nur ein Kämpfer für Demokratie und Meinungsfreiheit, sondern auch ein bescheidener Humanist. Aus diesem Grund kann ihn die chinesische Führung nicht tolerieren, denn neben Reformen und einer demokratischen Zukunft für sein Land fordert er auch die Neubewertung der chinesischen Geschichte und das Ende der chinesischen Einparteien-Diktatur. Da er sich mit den Wurzeln des Problems befasst, hat die Kommunistische Partei Chinas Angst vor ihm und zieht es vor, diesen Aufrührer hinter Gittern zu behalten.
Ziel der weltweiten Lesung ist es, Liu Xiaobos Werk einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen und daran zu erinnern, dass er nach wie vor in einem chinesischen Gefängnis befindet und dem Protest hiergegen Ausdruck zu verleihen.
Bereits am 20. März 2011 hatte das internationale literaturfestival berlin zu einer weltweiten Lesung von Liu Xiaobos Prosa und Gedichten aufgerufen. Über hundert Institutionen, darunter Radio- und Fernsehsender, nahmen an den Lesungen auf allen Kontinenten teil oder berichteten darüber.
Die Texte, die dieses Mal weltweit gelesen werden sollen, stehen auf Chinesisch, Japanisch, Koreanisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch zur Verfügung. Wir bitten interessierte Institutionen und alle, die sich an der Lesung beteiligen möchten, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Unsere E-Mail-Adresse:
[email protected]
Vor drei Jahren wurde Liu in seinem Haus in Peking verhaftet und erst über zwölf Monate später wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ offiziell zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Im vergangenen Jahr, unmittelbar nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu, stellten die chinesischen Behörden seine Frau, die Dichterin und Fotografin Liu Xia, unter strikten Hausarrest. Am 18. Oktober 2010 verschwand sie aus dem privaten und öffentlichen Leben und ist bis heute nicht zu erreichen, weder per Festnetz, Handy noch über das Internet.
Vor seiner jüngsten Verhaftung 2008 verbüßte Liu Xiaobo bereits drei Gefängnisstrafen. Zwischen 1996 und 1999, als er drei Jahre lang zur „Umerziehung durch Arbeit“ einsaß, schrieb er zahlreiche Gedichte, die alle seiner Frau Liu Xia gewidmet sind. Als junger Mann hatte Liu Bücher über westliche und chinesische Philosophie und Literatur verschlungen. Diese Lektüreerfahrung schlägt sich deutlich in seinem lyrischen Schreiben nieder. Von Konfuzius bis Kant, von Sima Qian bis Van Gogh oder Jesus – für den jungen Liu Xiaobo kannte das Wissen keine Grenzen. Als Autor, dessen Bücher weite Verbreitung genossen, hat sein eigenes literarisches Werk seit den 1980er Jahren Generationen junger Autoren beeinflusst. Als seine Artikel und Bücher auf dem chinesischen Festland verboten und zensiert wurden, schickte er seine Texte an chinesische Webseiten im Ausland. Seine Bücher erschienen in Hong Kong, Taiwan und den USA. Lius explosiver und lyrischer Stil, der sich durch schneidende Kritik und tiefgreifende Ironie auszeichnete, ist in den letzten Jahren ruhiger geworden und in eine nachdenklichere und sachlichere Prosa übergegangen. Er hat die Rolle des Aktivisten zugunsten des Beobachters und Analytikers abgelegt.
Nach dem Vorbild der tschechoslowakischen Charta ’77 wählten Liu Xiaobo und seine chinesischen Mitstreiter mit ihrem eigenen Manifest ’08 einen besonnenen und friedlichen Weg, um ihrer Sorge um die künftige Entwicklung Chinas Ausdruck zu verleihen. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte sind universelle Werte, Grundlagen einer modernen Gesellschaft und nicht unvereinbar mit der offiziellen Rhetorik der chinesischen Regierung, die für die Rechtsstaatlichkeit des Landes wirbt. Sowohl die chinesische Verfassung als auch internationale Abkommen, die von der Regierung unterzeichnet wurden, gewähren Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Der Vorwurf, Liu „untergrabe die Staatsgewalt“, ist daher ein Witz und ein Schlag in Chinas eigenes Gesicht.
Tatsächlich lassen die über 800 Artikel, die Liu in den vergangenen zehn Jahren autorisierte, das genaue Gegenteil erkennen. In seinem 2005 erschienenen Buch Civil Awakening. The Dawn of a Free China erläuterte Liu, die Reform in China verlaufe von unten nach oben, nicht umgekehrt. Das heißt, die wahre Reformbewegung beginne nicht mit der Regierung, sondern vielmehr mit der Zivilgesellschaft, mit den Menschen an der Basis. Die ständige Konfrontation von einfachen Bürgern, Bauern, Arbeitern mit den Obrigkeiten hätten das Bewusstsein der chinesischen Bevölkerung geschärft und sie für ihre Grundrechte sensibilisiert. In Lius Worten: „Der langsame, aber beständige Wandel wird nicht durch radikale Forderungen seitens der Regierung erreicht, die gesamte Gesellschaft umzuwälzen. Die gegenwärtige Tendenz geht dahin, dass das Regime von Veränderungen, die aus der Gesellschaft heraus entstehen, langsam selbst zum Wandel gedrängt wird.“
Liu Xiaobo ist nicht nur ein Kämpfer für Demokratie und Meinungsfreiheit, sondern auch ein bescheidener Humanist. Aus diesem Grund kann ihn die chinesische Führung nicht tolerieren, denn neben Reformen und einer demokratischen Zukunft für sein Land fordert er auch die Neubewertung der chinesischen Geschichte und das Ende der chinesischen Einparteien-Diktatur. Da er sich mit den Wurzeln des Problems befasst, hat die Kommunistische Partei Chinas Angst vor ihm und zieht es vor, diesen Aufrührer hinter Gittern zu behalten.
Ziel der weltweiten Lesung ist es, Liu Xiaobos Werk einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen und daran zu erinnern, dass er nach wie vor in einem chinesischen Gefängnis befindet und dem Protest hiergegen Ausdruck zu verleihen.
Bereits am 20. März 2011 hatte das internationale literaturfestival berlin zu einer weltweiten Lesung von Liu Xiaobos Prosa und Gedichten aufgerufen. Über hundert Institutionen, darunter Radio- und Fernsehsender, nahmen an den Lesungen auf allen Kontinenten teil oder berichteten darüber.
Die Texte, die dieses Mal weltweit gelesen werden sollen, stehen auf Chinesisch, Japanisch, Koreanisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch zur Verfügung. Wir bitten interessierte Institutionen und alle, die sich an der Lesung beteiligen möchten, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Unsere E-Mail-Adresse:
[email protected]
Wenn Sie den Appell unterzeichnen möchten, senden Sie bitte entweder eine E-Mail an [email protected] (betreff: Ich unterzeichne) oder füllen Sie folgende Form aus:
Datenschutz: Ihre persönlichen Daten werden nur für die Unterzeichnung des Appells verwendet. Mit der Veröffentlichung des Appells werden die Daten der Unterzeichner im Internet und in der Presse publiziert.
Berlin
20.03.2012 19:00 Uhr
Martin-Gropius-Bau
Freiheit für Liu Xiaobo
Lesung mit anschließendem Gespräch
An der Veranstaltung im Martin-Gropius-Bau nehmen die Schauspieler Roland Schäfer und Franziska Herrmann, die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der Autor Liao Yiwu und die Vorsitzende des unabhängigen chinesischen PEN-Zentrums Tienchi Martin-Liao teil. Moderation: Ulrich Schreiber
Liu Xiaobo wurde 2009, nachdem er mit anderen Dissidenten die Charta 08 verfasst hatte, zu sieben Jahren Gefängnis unter dem fadenscheinigen Vorwurf verurteilt, er habe „die Staatsautorität unterhöhlt“. Aus diesem Grund rief das internationale literaturfestival berlin zu einer weiteren weltweiten Lesung für den Friedensnobelpreisträger am 20. März 2012, dem Jahrestag der politischen Lüge, auf. Diesem Aufruf schlossen sich sich viele Autorinnen und Autoren aus aller Welt an, u.a. die Nobelpreisträger John M. Coetzee, Elfriede Jelinek, Doris Lessing und Herta Müller sowie Bei Dao, Breyten Breytenbach, Wolf Biermann, Hans Christoph Buch, Joan Goytisolo, David Grossman, Amos Oz und Salman Rushdie. Mittlerweile haben sich ca 100 Personen und Institutionen aus allen Kontinenten für eine Lesung angemeldet.
Gelesen werden im Gropius-Bau die Charta 08 und Gedichte von Liu Xiaobo. Im anschließenden Gespräch wird u.a. erörtert, wie der Protest gegen die Inhaftierung Liu Xiaobos wirksamer gestaltet werden kann.
Bei der Charta 08 handelt es sich um ein Manifest, in dem Demokratie und Freiheit in China gefordert wird. Im Vorwort zur Charta 08 heißt es, „die chinesischen Bürger sind nach langwierigen, mühsamen und von Rückschlägen gezeichneten Kämpfen aufgewacht und erkennen ..., dass Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte gemeinsame und universelle Werte der Menschheit sind, dass Demokratie, Republik und verfassungskonforme Regierung Basis und Rahmen moderner Politik sind. Eine ‚Modernisierung‘, die sich von diesen universellen Werten und solchen Grundlagen der Politik entfernt, kann nur zu einem Katastrophenprozess werden, der den Menschen ihre Rechte raubt, ihre Vernunft korrumpiert und Würde zerstört. Wohin wird China im 21. Jahrhundert gehen? Wird es weiter die ‚Modernisierung‘ unter autoritärer Herrschaft verfolgen? Oder wird es sich mit den universellen Werten identifizieren, mit dem Mainstream verschmelzen und ein demokratisches Regierungssystem aufbauen?“ - Im Fischer-Verlag erschien von Liu Xiaobo 2011: Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass. Ausgewählte Schriften und Gedichte.
Eine Veranstaltung des internationalen literaturfestivals berlin und dem Martin-Gropius-Bau in Kooperation mit dem Deutschen P.E.N-Zentrum.
Tickets sind erhältlich an der Kasse des Martin-Gropius-Bau.