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9/11 – Literarisches Konzert in Berlin

»Die Freiheit birgt nichts als die Möglichkeit zum Besseren« (Camus)

Eine Veranstaltung zum 10. Jahrestag des 11. September

Ikonen des Terrors, Bilder, die uns, bis zum Überdruss, seit einem Jahrzehnt
begleiten: Die Türme des World Trade Centers stürzen ein.
Ereignisse, die unser Weltbild prägen: Amerika startet den „Krieg gegen den
Terror“; die blutigen Feldzüge im Irak und in Afghanistan folgen; Al Kaida schlägt
erbarmungslos zurück; das Gefangenenlager Guantanamo Bay wird zum Sinnbild für die Willkür der Bush-Regierung.

Was hat 9/11 aus uns gemacht? Wie hat 9/11 unser Denken und Fühlen
verändert? Welche Klischees stimmen, welche nicht? Ist das Böse oder das Gute auf dem Vormarsch? Bringt Freiheit, wie Camus behauptet, wirklich nichts als die Möglichkeit zum Besseren? Fragen, die in einem »literarischen Konzert« zwölf renommierte Autorinnen und Autoren aus aller Welt im Rahmen des internationalen literaturfestivals berlin beantworten werden.

Die Veranstaltung wird von der britischen, in Berlin lebenden Autorin und
Mitbegründerin der »Authors for Peace« Priya Basil moderiert.

11.09.2011 20:00 Uhr + Haus der Berliner Festspiele

Autoren
  • Mohammed Achaari,
  • Javier Cercas,
  • Rawi Hage,
  • C.K. Stead,
  • Nam Le,
  • Azouz Begag,
  • Åsne Seierstad,
  • Madeleine Thien,
  • Ulrike Draesner,
  • Omair Ahmad,
  • Ken Babstock,
  • Amir Hassan Cheheltan,
  • Adam Haslett


Artikel über die Veranstaltung im Tagesspiegel.



9/11 - Der Hoffnung entgegen


Javier Cercas

Hat Albert Camus Recht, wenn er sagt, dass die Freiheit die Chance der Besserung birgt? Natürlich! Aber ist Freiheit nur das? Nein. Natürlich nicht. Sie birgt auch die Möglichkeit der Verschlechterung. Ohne die zweite Option gäbe es die erste nicht, und umgekehrt. Dies vorausgeschickt stellt sich die Frage wie folgt: Ist die Welt heute besser oder schlechter als vor dem 11. September 2001, der Tag, an dem Mohamed Atta und seine Komplizen Blut und Feuer ins 21. Jahrhundert brachten? Ich weiß es nicht. Blickt man beispielsweise auf die arabischen Länder, wo aktuell viele Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um das zu erringen, was wir in Europa so gering schätzen - die Demokratie - würde man eher sagen: Ja. Blickt man dagegen auf Europa, so lautet die Antwort Nein. Schließlich schienen wir Europäer vor nur zehn Jahren kurz davor, die einzig vernünftige Utopie zu verwirklichen, die wir im Jahrhundert zuvor erfunden haben, die Utopie eines vereinten Europas. Seit einiger Zeit scheint diese Hoffnung jedoch zu schwinden, aufgezehrt durch die Rückkehr egoistischer und kurzsichtiger Partikularinteressen, die im vorigen Jahrhundert zwei Weltkriege auslösten. So ist die Welt also, je nach dem wie man es betrachtet, heute besser und schlechter zugleich. Genau genommen könnte die Hoffnung unser Problem sein. Vielleicht wäre es uns besser gegangen, wenn wir nicht so optimistisch gewesen wären, wenn wir von niemanden etwas erwartet hätten: weder von Europa noch von den arabischen Ländern oder von der Welt, weder von unseren Politikern noch von uns selbst.

Chesterton beschreibt zwei Arten von Menschen: diejenigen, die Menschen in zwei Arten klassifizieren, und die anderen. Ich selbst unterscheide manchmal Optimisten und Pessimisten, und wenn ich das tue, fällt mir unweigerlich Josep Plas Theorie von der Zugabe ein. Der bedeutendste katalanische Prosaschriftsteller des 20. Jahrhunderts vertrat nämlich die These, dass alles, was keine Katastrophe ist, eine Zugabe darstellt. Einen Augenblick lang handeln unsere Politiker verantwortlich und großmütig, nicht unverantwortlich und kleinmütig: Zugabe. Die Araber sind einige Tage lang mutig genug, ihr Leben für die Demokratie zu riskieren, und nicht feige genug, sich für die Diktatur zu opfern: Zugabe. Wir nutzen einen Moment lang unsere Freiheit, um besser, nicht schlechter zu sein: Zugabe. Der Optimist glaubt, wir lebten, um glücklich zu sein. Der Pessimist meint, wir seien hier, um alle möglichen Katastrophen zu vermeiden, und alle möglichen Zugaben zu kassieren. Daher lebt der Pessimist ruhig und zufrieden, der Optimist dagegen unglücklich und besorgt. Ambrose Bierce ist für mich der Prototyp des Optimisten, denn er definiert das Wort „Jahr“ in Des Teufels Wörterbuch wie folgt: "Jahr: Periode der dreihundertfünfundsechzig Enttäuschungen“. Dagegen ist Ricardo Reis, ein Heteronym Fernando Pessoas, für mich der Prototyp des Pessimisten, denn er schrieb in einem bemerkenswerten Poem: "Wenn du nichts erwartest ist das, was der Tag dir beschert, und sei es auch wenig, viel.“

Ich meine es ernst: Unser Feind ist der Optimismus; unser Feind ist die Hoffnung. Viele haben im Verlauf der Geschichte diese geheime, vielleicht paradoxe Wahrheit ausgesprochen, und ich möchte an dieser Stelle an die wunderbaren Texte der beiden großen Autoren Michel de Montaigne und Wassili Grossman erinnern. In einem seiner berühmtesten Essays schreibt Montaigne, dass angesichts der Tatsache, dass wir weder die Zukunft noch die Vergangenheit beherrschen, der größte Fehler des Menschen darin bestehe, in Abhängigkeit von der Zukunft zu leben, und unfähig zu sein, sich in der Gegenwart zu verorten. „Die Angst, unsere Wünsche, unsere Hoffnung treiben uns in die Zukunft und rauben uns das Gefühl für und die Sicht auf das, was ist, um uns dem zu widmen, was sein wird, selbst wenn wir nicht mehr sind.“ Für Montaigne war die Traurigkeit das schlimmste Laster von allen, und die feigste und gemeinste Passion. Daher bekämpfte er das schmutzige Ansehen, das sie in seiner Zeit (die hierin der unsrigen durchaus ähnelt) genoss als die Ursache all unseres Unglücks: unseren unheilbaren Drang, in der Hoffnung auf die Zukunft zu leben, und nicht in der Realität der Gegenwart, die die einzige Gegenwart ist. „Nie sind wir daheim“, schlussfolgert Montaigne. “Immer sind wir an anderem Ort”. Ich weiß nicht, ob Grossmann Montaigne las. Doch auf den über eintausend Seiten von Leben und Schicksal findet sich ein ähnlicher Gedanke, wie ein nahezu unsichtbares Band, das das Buch von Anfang bis Ende durchzieht. Das drückt niemand besser oder eloquenter aus, als Anna Semionowna, die Mutter von Victor Pawlowitsch, die die Nazis ins Ghetto einer ukrainischen Stadt sperren. Sicher, dass man sie zusammen mit den anderen unglücklichen Gefangenen töten wird, schreibt die jüdische Ärztin einen Abschiedsbrief an ihren Sohn, in dem sie einige der seltsamen Dinge, die sie in den Tagen vor dem Ende im Ghetto beobachtete, aufführt. So entdeckt sie beispielsweise, dass die Menschen, die vor ihrer Zeit im Ghetto zu den Gütigsten zählten, in Wirklichkeit die Verruchtesten, und diejenigen, die vor dem Ghetto als die Bösesten erschienen in Wahrheit die Großherzigsten sind. Auch notiert sie, was sie in diesem Moment am meisten überrascht: dass das Ghetto der unglückseligste Ort der Welt ist, und zwar nicht, weil es dort keine Hoffnung mehr gibt, sondern weil „kein Ort der Welt mehr Hoffnung vermittelt“. In diesem Loch ohne Erlösung kursieren pausenlos alle möglichen Gerüchte und Nachrichten, die die Rettung der Juden verheißen, oder die die jüdischen Gefangenen als sichere Zeichen ihrer unmittelbar bevorstehenden Befreiung deuten. Anna Semionowna stellt verwundert fest, dass „die Menschen mit zunehmendem Optimismus schäbiger und egoistischer werden“, während der Mensch, „je weniger Hoffnung er auf ein Überleben hat, umso besser und großzügiger wird“. Daher ist für Grossmanns Protagonistin die Hoffnung nicht nur, wie bei Montaigne, die Quelle für unser Leid, sondern auch für das Böse in uns. Montaigne hätte, so glaube ich, dieser Nuance zugestimmt. Ansonsten wissen sowohl Montaigne als auch Grossman, dass nichts schwerer ist als der Kampf gegen die Hoffnung, denn diese ist Teil unseres Wesens, oder weil sie, wie Grossmann bemerkt, nicht in der Vernunft sondern im Instinkt gründet.

Darin also besteht unser Fluch: Es gibt immer zu viele Gründe für Hoffnung, denn wir können nicht ohne Hoffnung leben. Wir können nicht leben, ohne zu denken, dass die Freiheit nur die Chance der Besserung birgt, und vergessen dabei, dass es die Möglichkeit der Verschlechterung ebenso gibt. Wir können nicht leben, ohne zu glauben, dass wir hier sind, um glücklich zu sein, und vergessen dabei, dass es vernünftig wäre zu denken, dass wir nur leben, um alle möglichen Katastrophen zu vermeiden und alle möglichen Zugaben mitzunehmen. Wir können nicht einmal leben, ohne zu denken, dass die Araber eines Tages eine Demokratie wie die unsere haben werden, ohne zu denken, dass unsere Politiker eines Tages großzügig und verantwortlich Politik machen werden, und die Utopie eines Europas, in der es keine egoistischen und kurzsichtigen Partikularinteressen mehr gibt, Wirklichkeit wird. Wir können also nicht sein, ohne in der Zukunft zu leben, immer außer Haus, unfähig, uns in der Gegenwart zu verorten, ständig verhaftet in Sorge und Leid. Die Hoffnung ist das letzte, was wir verlieren? Alles andere als das: Das erste, was wir verlieren müssen, wenn wir uns nicht in der schmutzigen und elenden Feigheit der Traurigkeit niederlassen wollen, ist die Hoffnung.

Übersetzung aus dem Spanischen: Lilian-Astrid Geese

© Javier Cercas

Achtung: Copyright. Dieser Text darf nur mit Zustimmung des Autors veröffentlicht werden.





















































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