October 2014
“BETWEEN LINES – An Hour of Beauty”
ZWISCHEN ZEILEN: Eine Stunde Schönheit is the title of a series of events that will take place in Frankfurt’s Katharinenkirche from Wednesday to Friday 8-10 October at 18-19 hrs in the week of the Frankfurt Book Fair.
Under the aegis of the German Book Trade's Peace Prize nine eminent writers have been asked to read literature from countries in which war and violence are reigning or which are finding themselves in extreme crises - and whose authors cannot themselves be present in Frankfurt. On each day, three writers will read for about 15 minutes, each from/for a colleague of a country in crisis.
These sessions are to remind us all of the beauty of the cultures from which only pictures of war and suffering are currently emanating. A quiet expression of solidarity. We want to refrain from discussions and for one hour focus on the beauty and preciousness of literature. So there will be no debates, only the readings - in a welcoming setting and peaceful atmosphere.
BETWEEN LINES is organized by the writer Janne Teller, the journalists Felicitas von Lovenberg (Frankfurter Allgemeine Zeitung) and Stephan Detjen (Deutschlandfunk) as well as by the Director for the Peace Prize of the German Book Trade, Martin Schult, and his offices.
This year, “BETWEEN LINES – An Hour of Beauty” will include readings from Marica Bodrozic, John Burnside, Carolin Emcke, Gail Jones, Michael Kleeberg, Katja Petrowskaja, Lutz Seiler, Janne Teller und Najem Wali. Each reading hour will open with the composition ‘A Prayer for Peace’ by Terry Vosbein.
For full details please see here.
BETWEEN LINES - A PLEA
This initiative constitutes a plea for the beauty of literature – for its wealth, aesthetics, and insights. And it is a plea for literature as nourishment for the mind, which is necessary for our humanity. The values that literature conveys are presented to us each year by the publishing houses at the Frankfurt Book Fair. Then we realize our high privilege, being able to read all these books in peace and freedom.
This is not the case in many other regions of the world: Dictatorships, wars, occupations, economic crises, and natural catastrophes interfere with the right of freedom of expression and the access to a free and independent literature. This literature is in danger of not being heard anymore due to the reigning violence and sorrow. In times of the largest waves of refugees that the world has seen since WWII, literature becomes a luxury instead of being what it was meant to be.
During the International Book Fair in Frankfurt, the series of events “BETWEEN LINES – An Hour of Beauty” (ZWISCHEN ZEILEN: Eine Stunde Schönheit) will present writers, reading from the works of their colleagues who come from countries of war and crises. In times of pictures of violence, terror, and sorrow in the media, we want to remind people of the humanity and beauty that exist in these regions nonetheless. The meaning of literature and the values it conveys for society and individuals in these regions cannot be replaced by anything else.
As an expression of mutual understanding and sign of solidarity for those people and writers living in war, we want to honor their literature with our readings.
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Zwischen Zeilen - Eine Stunde Schönheit
Literatur von Menschen aus Kriegs- und in Krisengebieten.
Ein Projekt von Janne Teller, Stephan Detjen, Felicitas von Lovenberg und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Lesungen mit Marica Bodrožic, John Burnside, DIE REDNER, Carolin Emcke, Gail Jones, Michael Kleeberg, Katja Petrowskaja, Werner Schneider-Quindeau, Lutz Seiler, Janne Teller, Terry Vosbein und Najem Wali.
ZWISCHEN DEN ZEILEN
von Janne Teller
Es gab ein Jahr in meinem Leben, da habe ich Gedichte auswendig gelernt. Das war 1993/94, als ich für die Friedensmission der Vereinten Nationen in Mosambik arbeitete, und ich dabei − nach monatelangen Verhandlungen mit Generälen, die für die furchtbarsten Massaker und Massentötungen verantwortlich waren, die man sich vorstellen kann, täglich umgeben von Gewalt, Folter, Anschlägen, Geiselnahmen und Explosionen von Landminen, regelmäßigen Verstößen gegen den Waffenstillstand ausgesetzt sowie der ständigen Bedrohung durch einen Militärputsch, in einem Land, das zu dieser Zeit, nach 15 Jahren eines unbeschreiblich grausamen Bürgerkriegs, das Ärmste der Welt war − meine Hoffnung verlor. Ich hatte meinen Glauben an die Menschlichkeit verloren.
Zu jener Zeit war in Maputo nicht sehr viel Literatur verfügbar, daher hatte ich stapelweise Romane im Gepäck. Aber ich hatte kein Verlangen danach, auch nur einen von ihnen aufzuschlagen. Was für einen Unterschied würde es machen, ob ich sie läse oder nicht? Doch an einem warmen Abend in der im Kolonialstil gehaltenen Bar des Hotels Polana, dem einzigen Ort des Luxus in der Stadt, schenkte mir ein Freund, der aus Europa kam und auf der Durchreise war, die Norton Anthology of English Literature. Mehr aus Höflichkeit schlug ich sie auf, las ein wenig hier und dort und entdeckte, daß ich durch die kürzesten Gedichte gerade so durchkam. Damit ging es für mich los.
Etwas geschah, als ich diese Gedichte las. Ich wusste noch nicht, was, aber ich wollte mehr lesen, wollte mich in ihnen verlieren.
Eines der ersten Gedichte, die ich auswendig lernte, war Thomas Hardys The Walk von 1914. Dieses Gedicht, das er im Kummer über den Tod seiner Frau nach vielen Jahren der Ehe schrieb, hatte nichts mit der Situation in Mosambik zu tun. Doch nachdem ich es viele Abende hintereinander für mich wiederholt hatte, sorgfältig Zeile für Zeile, bis ich es ohne einen Blick auf die bedruckte Seite laut aufsagen konnte, entdeckte ich, daß sich etwas verändert hatte: Das Gedicht nahm neue Proportionen an, der Rhythmus der Worte wurde zu einem Lied vieler Stimmen, einer Empfindung, einem Wissen von etwas anderem und Weitergehendem − das mich erstaunlicherweise durch die Brutalität eines weiteren Tages zu tragen schien.
Ohne übertreiben zu wollen, war es, sehr konkret gesagt, so, als hätte Hardy mir ein kleines Stück seiner Seele gegeben, um meine eigenen erschöpften Lebensgeister damit zu nähren. [...] (aus: LETTRE Nr.97, Sommer 2012)
Ein PlädoyerDies ist ein Plädoyer für die Schönheit von Literatur – für ihren Reichtum, ihre Ästhetik und ihre Einsichten. Und es ist ein Plädoyer für die Literatur als geistige Nahrung, die wir für unsere Menschlichkeit benötigen. Die Werte, die durch sie vermittelt werden, werden uns jedes Jahr von den Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse aufgezeigt. Uns wird dabei deutlich, welch hohes Privileg wir besitzen, all diese Bücher in Frieden und Freiheit lesen zu können. In vielen anderen Regionen ist das nicht der Fall. Diktaturen, Kriege, Besatzungen, Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen beeinträchtigen das Recht auf freie Meinungsäußerung und behindern den Zugang zu einer freien und unabhängigen Literatur. Ihr droht, inmitten von Gewalt und Leid, nicht mehr wahrgenommen zu werden. In Zeiten der größten Flüchtlingswellen, die die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt, wird Literatur zum Luxus, anstatt das sein zu können, wofür sie geschrieben wird.
Während der Internationalen Buchmesse in Frankfurt lesen Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der Veranstaltungsreihe »ZWISCH EN ZEILEN: Eine Stunde Schönheit« aus den Werken ihrer Kollegen, in deren Heimatländern Krieg und Gewalt herrschen. In einer Zeit, in der die Medien uns Bilder von Gewalt, Horror und Leid zeigen, wollen sie uns damit an die Menschlichkeit und Schönheit erinnern, die es dennoch an diesen Orten gibt, und an die Bedeutung von Literatur und den von ihr vermittelten Werten, die für die Gesellschaft und jeden Einzelnen in diesen Regionen unersetzlich sind. Als Ausdruck des gegenseitigen Verstehens und als ein Zeichen der Solidarität mit den im Krieg lebenden Menschen und ihren Schriftstellern wollen wir mit den Lesungen ihre Literatur ehren.
Zwischen Zeilen 2014 - Programm während der Frankfurter Buchmesse vom 8. bis 10.10.2014Die Komposition "A Prayer For Peace" von Terry Vosbein, entstanden kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001, leitet die drei Veranstaltungstage ein. Danach erfolgen kurze Einführungen durch Felicitas von Lovenberg, Stephan Detjen und Martin Schult.
Mittwoch, 08. Oktober 2014, 18.00 Uhr
Marica Bodrožic (Kroatien/Deutschland) liest Dževad Karahasan(Bosnien)
Gail Jones (Australien) liest Yvonne Vera (Zimbabwe)
Michael Kleeberg (Deutschland) liest Nuruddin Farah (Somalia)
Donnerstag, 09. Oktober 2014, 18.00 Uhr
John Burnside (Großbritannien) liest Atiq Rahimi (Afghanistan/Frankreich)
Lutz Seiler (Deutschland) liest Ahmad Schamlou (Iran) und Farhad Showghi (Iran/Deutschland)
Janne Teller (Dänemark) liest Nathalie Handal (USA/Palästina) und Hala Mohammad (Syrien)
Freitag, 10. Oktober 2014, 18.00 Uhr
Carolin Emcke (Deutschland) liest Adonis (Syrien)
Najem Wali (Irak/Deutschland) liest Fuad Rifka (Syrien/Libanon), Aqil Ali (Irak) und Jean Dammon (Irak/Frankreich)
Katja Petrowskaja (Ukraine/Deutschland) liest Swetlana Alexijewitsch (Weißrussland)
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